Kunstverein München e.V.
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Maximiliane Baumgartner verhandelt in ihrer Praxis künstlerische sowie pädagogische Modelle, in der sich Vorstellungen zu Stadtplanung und öffentlichem Raum nachvollziehen lassen. Ihre Einzelausstellung Auf Fassaden schauen oder Die vierte Wand der dritten Pädagogin setzt sich mit verschiedenen Zeit-Raum-Ebenen in und rund um den Kunstverein München auseinander. Der Begriff der Fassade fungiert hierbei als erweiterte Denkfigur: Der Ausstellungsraum wird als städtischer Ort betrachtet, der im Reibungsverhältnis zu seiner Umgebung und Geschichte steht. Baumgartners Auseinandersetzung mit dem spezifischen Ort des Kunstvereins geht zurück auf ihre Ausbildung an der Akademie der Bildenden Künste
http://aktionsraeume.orgIm auf die Institution angepassten Maßstab sind die Konturen der Fassade des Hof-Atelier Elvira nachgezeichnet, welches im Auftrag der Frauenrechtsaktivistinnen Anita Augspurg und Sophia Goudstikker von August Endell 1889 gebaut wurde. Es handelt sich dabei um einen Ort an dem, wenige Meter entfernt vom Kunstverein in der Von-der-Tann-Straße 15, Frauen als Protagonistinnen das kulturelle sowie informelle Stadtgeschehen in Form von urbaner widerständiger Praxis mitgestalteten. Als die „Große Deutsche Kunstausstellung“ 1937 im Haus der Kunst stattfand und im selben Jahr die von der nationalsozialistischen Partei organisierte Ausstellung „Entartete Kunst“ in den erweiterten Räumen des heutigen Kunstvereins gezeigt wurde, führten die „Stadtsäuberungen“ zum brutalen Abriss der Fassade. In der Ausstellung greift Baumgartner die Geschichte des Hof-Atelier Elvira auf und zeichnet diese und deren Architektur im Medium der Malerei in freien Adaptionen nach. In Form einer Re-Imagination der Fassade wird auf das Spannungsfeld zwischen Geschichtsschreibung und Erinnerungspolitik verwiesen.
Der Titel der Ausstellung Auf Fassaden schauen oder Die vierte Wand der dritten Pädagogin verweist neben der Figur der Fassade noch auf eine weitere Ebene. Als „vierte Wand“ bezeichnet man die unsichtbare Grenze zwischen scheinbar geschlossener Welt auf der Bühne und einer Wirklichkeit des Publikums, die vor allem in partizipativen Ansätzen thematisiert und sichtbar gemacht wird. Baumgartner bearbeitet sowohl in den einzelnen Arbeiten, in der Auseinandersetzung mit der historischen Fassade des Hof-Ateliers als auch im Aufbau der Ausstellung permanent die Schwelle und den Übergang zum „Draußen“. Zum anderen verweist der Titel darauf, die malerische Praxis als erweitertes Aktionsfeld zu begreifen, in dem pädagogische Vermittlung nicht ausgeklammert, sondern im Gegenteil als Motiv benannt wird.
Baumgartners Auseinandersetzung mit dem Münchner Stadtraum geht u.a. auf den Fahrenden Raum zurück, ein Raum der Aktionspädagogik, den sie initiierte und bis 2019 in Kooperation mit anderen in München programmierte. Wie Baumgartner selbst haben die meisten Mitwirkenden des Programms ein hybrides Verständnis ihrer Praxis als Künstler*innen, Autor*innen oder Pädagog*innen, sodass sich ihre Vorstellungen von künstlerischer und vermittlerischer Tätigkeit bewusst überschneiden.
Ergänzend zur Ausstellung hat Baumgartner einen Apparat von Fußnoten, Bildlegenden, Zitaten und Adaptionen von Archivmaterial erarbeitet, der die Quellen und Stimmen künstlerischer Forschung aufzeigt. Der Fußnotenapparat ist hier einseh- und benutzbar: www.aktionsraeume.org.
Zur Ausstellung ist außerdem der Katalog Ich singe nicht für Bilder schöne Lieder erschienen. Die Publikation ist ein Gemeinschaftsprojekt des Neuen Essener Kunstvereins und des Kunstverein München und umfasst neben einem Bildteil neue Texte von Elke Krasny, Karolin Meunier und Moritz Scheper sowie ein Gespräch zum Handlungsfeld der künstlerischen Praxis Baumgartners zwischen Luca Beeler, Lucie Kolb, Maurin Dietrich, Gloria Hasnay und der Künstlerin. Die Publikation wurde von Ibrahim Öztas gestaltet.